Clever Kombiniert

Region Seefeld, Sebastian Marko Region Seefeld, Sebastian Marko

Österreich und die Geschichte der nordischen Kombination

Ende Januar begeisterten beim Nordic Combined Triple in Seefeld in Tirol die besten nordischen Kombinierer*innen das Publikum. Lokalmatador Johannes Lamparter holte im zehnten Jubiläumsjahr endlich den lange ersehnten Triplesieg und schwärmte danach: „Besser kann ein Tag nicht sein.“ Doch wie ist diese Sportart, die die beiden sehr gegensätzlichen Einzelsportarten Skisprung und Langlauf vereint, entstanden? Wie hat sie sich bis heute entwickelt? Und warum ist sie so eng mit Österreich verbunden, dass der Weltcup in Seefeld, wie Renndirektor Lasse Ottensen beim dortigen Pressegespräch bestätigte, 25 Prozent der medialen Aufmerksamkeit des gesamten Winters bekommt?

Ihren Ursprung hat die Kombination wie alle nordischen Sportarten in Norwegen, wo bereits 1887 erste Wettkämpfe am Husebybakken in Olso dokumentiert sind. Bei den ersten olympischen Winterspielen 1924 in Chamonix (Frankreich) wurden erste Medaillen vergeben, die ersten Weltmeister wurden 1925 gekürt. Dabei ergaben sich bis 1955 die Sieger der Kombination aus den Einzelergebnissen von Speziallanglauf und Spezialspringen, erst 1956 etablierten sich eigenständige Wettkämpfe. Was aber keineswegs bedeutet, dass die nordische Kombination bis dahin ein Schattendasein fristete, ganz im Gegenteil. Viele Nationen verliehen bis in die Dreißigerjahre ihre Meistertitel nur in der Kombination und nicht in den Einzeldisziplinen Skisprung und Langlauf. Die nordische Kombination galt als Königsdisziplin, und die Kombinierer als jene Meister, die den nordischen Wintersport allumfassend beherrschten. Diesen hohen Stellenwert hat die Disziplin beim breiten Publikum in den vergangenen Jahrzehnten etwas eingebüßt, zu faszinierend sind vor allem die immer weiter werdenden Sprünge und Flüge der Spezialspringer. Unter den Experten*innen und Athlet*innen genießt das Kombinieren aber nach wie vor höchstes Ansehen.


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Nur Skispringen oder Langlaufen war mir immer zu langweilig“, erzählt beispielsweise Lukas Greiderer, Olympia-Bronzemedaillengewinner von Peking 2022. „Als Kind machst du ohnehin immer beides. Und mich fasziniert bis heute das Abwechslungsreiche, wenn man diese beiden so verschiedenen Sportarten vereint.“ So treibt ihn selbst in seinem zehnten Weltcupjahr ungebrochen die Liebe zu dieser Sportart an.


Österreichs erste WM-Medaille: Bronze in der nordischen Kombination

Die Begeisterung für seinen Sport pushte wohl auch schon 1933 den Steirer Harald Bosio zur allerersten nordischen WM-Medaille für Österreich, einer Bronzemedaille in der nordischen Kombination. Diese gewann er auch noch just bei den ersten nordischen Skiweltmeisterschaften in Österreich, und am Bergisel in Innsbruck und auf den Loipen von Seefeld ausgetragen wurden. Es wäre hoch gegriffen zu sagen, dass damit der Grundstein für eine beeindruckende Entwicklung der Kombination in Österreich gelegt worden sei. Denn große internationalen Erfolge stellten sich erst wieder mit Doppelgesamtweltcupsieger Klaus Sulzenbacher Ende der Achtzigerjahre sowie den Olympiasiegern und Weltmeistern Felix Gottwald, Mario Stecher, Bernhard Gruber und co in den 2000ern ein. Trotzdem scheint diese erste Medaille sehr passend zu all jenen entscheidenden Schritten, die in den vergangenen 40 Jahren in Österreich für die nordische Kombination gemacht wurden.

So fand zum Beispiel am 17. Dezember 1983 wiederum in Seefeld der allererste Weltcup der Herren in der nordischen Kombination statt. In diesem ersten Weltcup Bewerb feierte auch die Gundersen Methode, ihre Prämiere. Und auch die Damen gaben ihr Weltcupdebüt 37 Jahre später in Österreich, am 18. Dezember 2020 in Ramsau am Dachstein. Seefeld und Ramsau sind jährlich Austragungsorte für den Weltcup und zeichnen auch für drei nordische Weltmeisterschaften (Seefeld 1985 und 2019, Ramsau 1999) verantwortlich.


Große Veränderungen

Bei jener 1985 bahnte sich eine große Veränderung an. „Der Siitonen Schritt, die Vorstufe zur heute bekannten Skatingtechnik, wurde erstmalig bei internationalen Bewerben gelaufen“, erinnert sich Günter Csar, selbst Olympia– und WM-Medaillengewinner in der Kombination, Trainer und Funktionär. „Das geschah damals noch in einer Grauzone, da noch kein Reglement vorhanden war.“ Nachdem in den Einzelrennen jene Athleten mit der neuen Technik schneller waren, kamen im Teambewerb fast alle von der bisher gelaufenen klassischen Technik ab. „Daraufhin wurde schon im folgenden Weltcupjahr die freie Technik im Reglement der Kombination festgeschrieben.“

Das war nicht die einzige große Neuerung, die ihren Ursprung in Österreich hat. Auch der provisorische Wettkampfsprung (PCR) wurde erstmals in Seefeld gemacht. Im Januar 2008 waren für den zweiten Wettkampftag sehr schwierige Bedingungen angesagt. „Wir saßen mit Renndirektor Ulrich Wehling zusammen“, erinnert sich der damalige OK-Chef Werner Frießer. „Für Sonntag war Föhnsturm angesagt, am Samstag herrschten top Bedingungen.“ Kurzerhand wurden TV-Stationen und Teams informiert, dass am Samstag noch ein weiterer Sprung abgehalten wird, um notfalls für das Rennen vom Sonntag einen Sprung in der Tasche (eng. pocket) zu haben. Tatsächlich war am Sonntag ein Springen unmöglich, so wurde der damals noch als „pocket jump“ bezeichnete, provisorische Wettkampfsprung vom Samstag gewertet. „Zur nächsten Saison wurde er ins Reglement aufgenommen.“ Und hat damit schon so manchen vom Wind verblasenen Wettkampf gerettet.


Das Nordic Combined Triple – ein legendäres Format

Die bedeutendste Innovation aber, die ebenfalls in Seefeld ihren Anfang nahm, ist wohl das Nordic Combined Triple. Seit zehn Jahren avanciert es bei den nordischen Kombinierern zu dem, was die Vierschanzentournee bei den Spezialspringern ist. Seine Geschichte begann 2013, als eine Gruppe um Werner Frießer, damaliger OK Chef, und Ernst Vettori, damaliger nordischer sportlicher Leiter des österreichischen Skiverbandes (ÖSV), überlegte, wie der Weltcup in Seefeld zu einem echten Saisonhighlight für die Nordische Kombination werden könnte. „Unser erster Gedanke waren ähnlich wie bei der Tournee drei Wettkämpfe an drei verschiedenen Orten“, erinnert sich Frießer. Doch diverse Hindernisse machten dies nicht umsetzbar. Als Alternative entstand das neue Triple-Format an nur einem Ort, welches schon 2014 seine Premiere feierte. Seitdem fand der einzigartige Weltcupevent jedes Jahr statt, neunmal in Seefeld und einmal, im WM-Jahr 2019, in Chaux-Neuve (Frankreich).

Triple bezieht sich dabei auf die drei Tage, an denen je ein Wettkampf in der nordischen Kombination stattfindet und nicht auf drei verschiedene Sportarten.

Ursprünglich umfasste es alle Formate der Nordischen Kombination – einen Sprung von der HS-109-Meter Schanze gefolgt von einem Sprint über 5 Kilometer an Tag eins, dem klassischen 10 Kilometer Gundersen-Rennen an Tag zwei sowie der traditionellen 15-Kilometer Gundersen-Variante an Tag drei. „Über die Jahre haben wir nachjustiert“, erklärt Frießer. So umfassen die Langlaufrennen heute an Tag eins 7,5, an Tag zwei 10 und an Tag drei 12,5 Kilometer. Der Clou des Triples ist aber geblieben: Der Sieger steht erst nach dem dritten Langlaufrennen am Sonntagnachmittag fest. Das geschieht dadurch, dass die Ergebnisse vom Vortag jeweils in die aktuelle Startreihenfolge einfließen und so am Ende des dritten Langlaufrennens der Gesamtsieger als Erster über die Ziellinie läuft.

Für Athleten und Zuschauer macht genau den Reiz des Triples aus. „Der Modus ist sehr interessant, und Spannung ist auf jeden Fall garantiert. Es ist für uns Athleten ein richtig tolles, aber auch anstrengendes Wochenende“, erklärt Doppelweltmeister und Triplesieger Johannes Lamparter. Die ersten Triples habe er noch als junger Athlet vor dem Fernseher verfolgt, jetzt, 2023, hier zu siegen sei „Wahnsinn“. „Von diesem Sieg träumt jeder. Er ist neben dem Weltmeistertitel und dem Olympiasieg das große Ziel jedes Kombinierers.“


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Von der Vergangenheit in die Zukunft

Österreich und insbesondere wohl Seefeld ist eng mit der Vergangenheit und der Entwicklung der nordischen Kombination verbunden. Der Österreichische Skiverband würde daher gern auch die Zukunft dieser besonderen Sportart mitgestalten. Ernst Vettori sähe das Nordic Combined Triple gern als das USP der nordischen Kombination. „Und zwar bei den Herren wie bei den Damen.“ Der ÖSV und der Skiclub Seefeld haben dafür mit der Hinzunahme von zwei Damenweltcups zum Triple im Januar 2023 ein starkes Zeichen gesetzt. Skiclub-Obfrau Jacqueline Stark: „Gerade im Hinblick auf die Entscheidung des IOC, die Damen 2026 nicht ins olympische Programm aufzunehmen, war uns das sehr wichtig.“ So will man die Entwicklung, die 2014 mit den ersten Damenwettkämpfen in Oberstdorf (Bayern) und dem Weltcupdebüt 2020 in Ramsau weiterging, weitertragen bis zum großen Ziel Olympia 2030. Der nächste große Schritt hierzu wird nach dem ersten Einzelwettkampf bei der WM 2021 in Oberstdorf der erste Mixed-Teambewerb bei den Weltmeisterschaften in Planica (Slowenien) am 26. Februar 2023 sein.

Den wird Österreichs aktuell beste Athletin, die frisch gebackene Juniorenweltmeisterin im Mixed Team Lisa Hirner, mitgehen. Denn auch wenn die 19-Jährige in der ersten Klasse der Skihauptschule Eisenerz (Steiermark) mehr zufällig vom Spezialspringen zur Kombination kam, brennt sie mittlerweile für ihren Sport. „Die Faszination in zwei Sachen, die so verschieden sind, die einerseits Schnellkraft und andererseits Ausdauer erfordern, gut zu sein, macht es für mich aus.“ Und treibt sie täglich an für ihre Träume – ein Triple für die Damen und einen Olympiastart – alles zu geben und so die Geschichte der Kombination österreichisch weiterzuschreiben!

Von 1. bis 4. Februar 2024 findet das 11. Nordic Combined Triple in Seefeld statt. Die Damen sind zum zweiten Mal mit einem Doppelweltcup mit dabei. Eine spezielle Wertung wie bei den Herren gibt es noch keine, dennoch haben die beiden Wettkämpfe in Tirol einen hohen Stellenwert im noch jungen Damenweltcup. Wie kamen die Damen eigentlich zur nordischen Kombination, wer war die erste Kombiniererin Österreichs und wann ging es los mit Weltcup, Weltmeisterschaften und co?

Die spannende Geschichte der nordischen Kombiniererinnen