Rollen statt Gleiten
Veröffentlicht am 13.03.2024Wie Skirollern die Sehnsucht nach dem Winter stillen kann
Eigentlich hatte ich das Laufen mit Rollerski immer als Training für die Profis abgespeichert. Warum sollte ich als Hobby-Langläuferin schon auf diese komischen, kurzen Metallschienen mit Rollen steigen? Schließlich gab es ja Fahrrad, Wanderschuhe und co, um sich im Sommer fit für den Winter zu halten. Doch irgendwie scheinen die Winter kürzer zu werden und die Lust am Langlaufen nicht mehr genug zu stillen… So wurde der stete Anblick der Skirollerstrecke meines Heimatorts Seefeld immer reizvoller.
Die Strecke ist so wie einige andere in Österreich öffentlich zugänglich; darf also von jeder:m, der ein Ticket löst, auf Skirollern oder Inlineskates genutzt werden. Das rund drei Meter schmale Teerband, das sich durch die grüne Wiese schlängelt, verläuft großteils so wie die blaue Nachtloipe A1, umfasst aber auch einen Teil der schwarzen WM-Loipe C1. Dieser steile C1-Anstieg macht deutlich, warum Skirollern den Profis vorbehalten zu sein scheint. Der flache Teil der A1 dagegen wirkt sympathisch, die weichen Wiesen drumherum beruhigend. Also traue ich mich und starte das Projekt Skirollern.
Tipps von den Profis
„Viele Leute unterschätzen die Tatsache, dass Skiroller keine Bremse haben, und das falsche Equipment schnell zur Waffe werden kann“, sagt Martin Tauber, der als ehemaliger
Weltcupprofi nicht nur selbst tausende von Kilometern auf Skirollern zurückgelegt hat, sondern mit seiner Langlaufschule XC-Academy Seefeld auch Unterricht in der Sommervariante des Langlaufens gibt. „Die Kurse im Sommer werden zwar deutlich weniger gebucht als im Winter, aber ebenso von Leuten mit ganz unterschiedlichem Background.“ Die Kunden reichen von Wettkampfläufer:innen über sportlich ambitionierte Hobbyläufer:innen bis zu blutigen Anfänger:innen.
Eine Tatsache, die sich auch auf der Skiroller-Strecke spiegelt. Ich treffe Profis, Nachwuchsläufer:innen, ambitionierte Hobbyläufer:innen und selbst Pensionist:innen, die noch ein wenig wackeliger auf den Rollen steht als ich. Den meisten von uns würde Tauber wohl raten, einen Kurs zu machen. „Das Wichtigste ist, dass man die Bremstechniken und das Steuern beherrscht. Dann ist es eigentlich eine sichere Angelegenheit.“
Und das Equipment sollte stimmen. Immer wieder kämen Kund:innen mit Rennrollern oder günstigen Skirollern mit Hartplastikrollen aus dem Internet zu ihm in die Langlaufschule. Beide Varianten sind für unerfahrene Läufer:innen auf der kupierten Strecke in Seefeld viel zu schnell und können leicht zu unkontrollierbaren Waffen werden. „Ich empfehle wirklich jeder:m, sich im Fachhandel gut beraten zu lassen und lieber ein paar Euro mehr auszugeben.“
Taubers Tipps schließen sich auch Benedikt Ertl vom benachbartem Olympiastützpunkt in Garmisch-Partenkirchen (Bayern) und der deutsche Langläufer Max Olex an. Beide verbringen viel Zeit auf der Seefelder Skiroller-Strecke. Olex zum eigenen Training, Ertl mit dem bayerischen Nachwuchs. Und beide wissen die Rollerbahn auf Tirols Hochplateau sehr zu schätzen. „Aufgrund ihres Profils, das dem der Wettkampfstrecken im Winter sehr ähnelt, ist sie für Profis top. Gleichzeitig ist sie aber auch für Hobbyläufer:innen gut zu bewältigen“, sagt Olex. „Wenn man den C1-Anstieg und vor allem seine Abfahrt auslässt“, ergänze ich mit einem Grinsen.
Nachwuchstrainer Ertl ist froh mit der Seefelder Rollerbahn eine gesetzeskonforme Trainingstrecke für seine Athlet:innen zu haben. „Aufgrund der fehlenden Bremse ist Skirollern auf Geh- und Radwegen sowie auf Straßen in Deutschland und Österreich nämlich verboten.“ Es sei denn, man würde sich auf dem Gehsteig nur in Schrittgeschwindigkeit bewegen.
Muskelkater aber auch Genuss
Doch dieses minimale Tempo übertreffe sogar ich schon auf meinen ersten Metern, nachdem ich die Skiroller am Ende der Abfahrt wieder angeschnallt habe. Ich fühle mich nach den Gesprächen mit den Experten ein bisschen ertappt, ohne Kurs auf die Strecke gegangen zu sein. Doch ich schaffe es letztendlich, einige Runden – ohne den C1 Anstieg! – zu drehen. Nach dem ersten Verweigern sogar inklusive der Abfahrten. Die klassische Technik hat für mich dabei gut funktioniert. Doch kann ich Taubers Einwand, dass die klassischen Skiroller für Einsteiger:innen nicht die richtige Wahl seien, am nächsten Tag nachvollziehen. Klassik-Roller sind ziemlich schwer zu steuern, mit ihnen zu laufen erfordert Konzentration, eine stabile Technik und einiges an Kraft und Ausdauer. Obwohl ich mich als technisch und konditionell halbwegs fit bezeichnen würde, habe ich den Muskelkalter meines Lebens. Meine Sprunggelenke, Oberschenkel, Hüfte und Gesäß haben wohl Schwerstarbeit geleistet, um gerade auf Spur zu bleiben und den Asphalt nicht bei einem unfreiwilligen Spagat zu küssen. Geschwindigkeit hin oder her, beim nächsten Mal werden es also die Skating-Roller werden mit stabilerem Schuh und einem Inliner ähnlichen Laufstil. Und eine offizielle Kursstunde werde ich mir auch gönnen, um das Thema Bremsen noch einmal zu vertiefen.
Doch zurück zum Abschluss meines Skirollerausflugs. Als ich am Ende zusammen mit meinem Sohn ins WM-Stadion hinaufschiebe, laufen die Skiroller rund, der Rhythmus stimmt, und ich fühle mich fast schon wie auf Ski; auch wenn das winterliche Glitzern eindeutig fehlt. „Ich mag das jetzt auch probieren“, tönt es da von meinem Neunjährigen. „Vielleicht nächstes Jahr“, gebe ich zurück. Denn beim Thema Kinder war vor allem Ertl sehr deutlich: „Unter zehn Jahren macht es gar keinen Sinn. Außerdem sollten die Kinder vorher unbedingt auf Inlineskates technisch sauber laufen können.“ Stelle man sie zu früh auf die schweren Skiroller, ginge der Spaß schnell verloren, und selbst bei Kindern, die schon länger unter professioneller Anleitung langlaufen, leide die Technik.
Bis zum Abklingen meines Muskelkaters bin ich wieder auf Laufschuhe und Bike umgestiegen. Trotzdem hat mich die Faszination für das „Langlaufen im Sommer“ nicht losgelassen. Meine erste offizielle Trainingsstunde ist daher gebucht. Und zuvor werd‘ ich der Strecke nochmal einen Besuch auf Inlineskates abstatten.
Geöffnet sind die Strecken von Frühjahr bis Herbst, solange kein Schnee liegt. Besondere Vorsicht gilt, wenn im Herbst die Blätter fallen und sich der Raureif länger hält. Beides steigert die Rutsch– und Sturzgefahr erheblich.